She comes first

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Ian Kerner

Goldmann Verlag

München 2005

Kerner ist klinischer Sexologe an der American Academy of Clinical Sexologists, New York.

Die Penetration verschafft der Mehrzahl der Männer das höchste aller Gefühle. Bei Frauen scheint das nicht der Fall zu sein. Nur etwa 20-30% der Frauen kommen durch das alleinige Rein-Raus in orgasmische Bereiche. Das ist schon seltsam. Hat Gott da etwas falsch gemacht?
Kerner versucht, diesem scheinbaren Ungleichgewicht mit einem perfekt geleckten Cunnilingus zu begegnen.
In männlicher Manier hat er ein Ziel vor Augen: sie soll kommen. Der Orgasmus ist das erklärte Ziel seiner Bemühungen. Der virtuose Tanz der Zunge an der Klitoris, die eine Hand unter dem Po und die Finger der anderen Hand am G-Punkt und am Anus als zuschaltbarer Turbo – das ist sein Rezept eines meisterlichen Cunnilingus.

Cover-Bild mit einer innenansicht einer Fruchthälfte welche die weibliche Vulva darstellt und einer Banane im Hintergrund.

Es gefällt mir, wie ausführlich und differenziert Kerner die Anatomie der Frau, genauer gesagt der Klitoris beschreibt. Er verdeutlicht, wo genau sich bei der Frau empfind- und damit erregbares Nervengewebe befindet.

Was mir nicht gefällt: Er nährt den Mythos des sexuellen Helden: ich Mann muss es der Frau besorgen, ich muss wissen, wie es bei der Frau geht. Ihr Orgasmus ist meine Trophäe. Kein einziges Mal in dem ganzen Buch wird angeraten, die Frau zu fragen, ob die Berührung angenehm ist.

Ebenso missfällt mir die undifferenzierte Betrachtung des weiblichen Orgasmus. Für Kerner ein Must, das nicht hinterfragt wird. Als ob für alle Frauen der Orgasmus die gleiche Bedeutung und Wichtigkeit hat. Für mich ist ein gepushter Orgasmus in der Regel immer ein Orgasmus mit einem schalen Nachgeschmack. Dann lieber gar keinen und dafür den intimen Kontakt von der ersten Sekunde an voll geniessen. Die Vagina ist schlau. Sie merkt haargenau, ob sie verweilend liebkost wird, oder zielorientiert bearbeitet.

Der Titel: „she comes first“ liess leider vergebens hoffen. Zwar werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sie zuerst kommt, aber Leistung und Zielorientierung bleiben – von weiblichen Qualitäten des „Entstehenlassens“ keine Spur.

– Kristina Pfister