Wie Unlust wieder zu Lust wird

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Der Lustbarometer zeigt nach oben, doch im Bett herrscht beklemmende Stille Die Sexualtherapeutin Kristina Pfister weiss Rat wenn sich Paare im Bett nicht mehr richtig gut verstehen.

WINTERTHUR – «Lehren Sie verschiedene Stellungen und Sextechniken?» Kristina Pfister kann sich ein Grinsen kaum verkneifen. «Nein, tue ich natürlich nicht! Auch werden weder Mann noch Frau von mir körperlich berührt.» Die gebürtige Deutsche arbeitet als Sexualtherapeutin was in manchen Köpfen ausschweifende Phantasien erregt. «Let’s talk about sex» – als Sexualtherapeutin ist sie mehrheitlich am Reden, und zwar über ein Thema, über das viele immer noch selten und nicht gerade gerne reden.

Portrait von Kristina Pfister
Bild: Andreas Wolfensberger

Braucht es Aufklärung?

Rund um die Uhr im Internet und bald auf allen TV-Kanälen scheint «Sex» das Dauerbrennerthema Nummer eins zu sein. Ist unsere Gesellschaft nicht ohnehin schon «oversexed and underfucked»? Braucht es heutzutage überhaupt Aufklärungsarbeit? Über das lustvollste Thema der Welt wird an und für sich sehr weitläufig und freizügig geredet. «Im Gegenteil, wir sind nahezu überinformiert und wissen trotzdem nicht viel üiber Intimität und Körperliebe. Oft entstehen falsche Idealbilder, gerade auch was das Rollenverständnis Mann/Frau betrifft». Kristina Pfister erklärt, dass der Individualisierungstrend der vergangenen fünfzig Jahre erst jetzt den Sexualbereich erfasst.

«Wir sind überinformiert, wissen trotzdem nur wenig über Intimität und Körperliebe»

Kristina Pfister

Das wiederum macht ihre Profession sehr vielseitig und abwechslungsreich. Denn so individuell der Mensch ist, so unterschiedlich individuell sind auch die einzelnen Falle. Der Klient sei kein Mängelwesen, sondern entdecke gerade in seiner (vorübergehend) misslichen Situation neue Qualitäten hält die zweifache Mutter als wichtigen Standpunkt fest. Zwei Drittel der Klientel sind Frauen, die Altersstruktur bewegt sich zwischen 23 und 60 Jahren.

Kristina Pfister führt als ein Beispiel an, dass viele Männer eine ausbleibende Erektion gedanklich immer noch als Versagen übersetzt. Es kann genauso gut auch eine zen. Qualität sein, mit Weichheit statt mit Harte zu reagieren – und den Körperausdruck als Spiegel der Persönlichkeit zu sehen. Zudem werde schlichtweg vergessen, dass die Erektion ein willentlich nicht steuerbarer Vorgang ist und rein schon deshalb kein «Versagen» vorliegen kann. In den Sitzungen geht das vermeintlich starke Geschlecht der Frage nach, was der «kleine Mann» braucht, um sich stolz zu entfalten «Frauen kommen haufig mit dem Stichwort «Unlust» – ein sensibler Trieb oder sexuelle Appetitlosigkeit -, was zu problematischen Beziehungsauseinandersetzungen führen kann.»

Leidensdruck

«Bin ich nicht normal, wenn …» ist eine der viel gestellten Eingangsfragen, wenn neue Klienten die Praxis der Sexualberaterin aufsuchen Wenn der Leidensdruck nicht schon gross genug ist, lernen Männlein wie Weiblein über ihre sexuellen Nöte zu reden. Kristina Pfister hört dann zu, macht Zusammenhänge deutlich. knüpft an Ressourcen an und erteilt vielleicht spielerische «Bettaufgaben ihren Reifezeitpunkt», weiss die Sexualtherapeutin aus ihrer Erfahrung, «das muss sich alles sukzessiv entwickeln.»

Ein möglicher Lösungsweg kann oftmals nach einer Sitzung aufgezeichnet werden, in der Regel kommen die meisten jedoch vier bis acht Mal vorbei.Es wird jedem Einzelnen überlassen, den Partner oder die Partnerin an eine Sitzung mitzunehmen, alles läuft unverkrampft ab, und kreative Lösungen stehen stets im Vordergrund.

Von einem «Richtig/Falsch»-Verhalten sind viele Therapieformen abgekommen. Die Chemie zwischen den Klienten und der Therapeutin müsse stimmen, aber Kristina Pfister bemerkt, dass in vielen Fällen meistens mit Lust und Humor an diese wunderbar einfache und gleichzeitig herrlich komplizierte Sache herangegangen wird.

– Michael Heisch


Zur Person

Kristina Pfister
Sexualberaterin und -therapeutin

Vor acht Jahren verspürte sie Lust auf eine berufliche Veränderung. Da sich Kristina Pfister seit nun mehr als 20 Jahren mit dem Thema Sexualität beschäftigt und zu diesem Thema zahlreiche Fortbildungen besuchte, beschloss die diplomierte Sozialökonomin, sich zur Sexualberaterin und -therapeutin auszubilden. Seit vier Jahren befindet sich ihre Praxis in Winterthur am Neumarkt 17 (zuvor drei Jahre lang an der Steinberggasse). Kristina Pfister ist unter anderem auch Eltern und Erwachsenenbildnerin und führt Seminare zu Partnerschaft, Liebe und Sexualität durch. Themen der Seminare sind zum Beispiel «Liebe ja, Sex nein?», «Meine Frau hat fast nie Lust auf Sex» oder „Magie der Berührung». Eine Sitzung kostet 120 Franken die Stunde. (hei)