Offene Gespräche statt roter Köpfe

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Eine Kiste soll intime Gespräche fördern – in der Altstadt-Buchhandlung wird sie vorgestellt.

Kristina Pfister hat eine Alternative zum Schweigen in Unterländer Betten: Mit ihrer «SexKiste der Liebe» will die Bülacher Sexualtherapeutin Paaren beim offenen Reden über Sex helfen.

Interview: Kathrin Morf

Die 53-jährige Sexualtherapeutin Kristina Pfister aus Bülach hat die «SexKiste der Liebe» entwickelt. Darin warten 46 Kärtchen mit Fragen rund um Lust und Nähe, um das Reden über partnerschaftliche Sexualität zu erleichtern. (kam)

Kristina Pfister mit einem Exemplar der «SexKiste der LIebe»

Frau Pfister, wo haperts unter Unterländer Bettdecken?

Bei Unterländern haperts nicht mehr oder weniger als bei anderen Westeuropäern. Wir sind Individuen mit unterschiedlichen sexuellen Neigungen und Wünschen. Das kann inspirierend sein. Leider braucht es aber nur wenig, und aus einem Unterschied entsteht ein Graben, den Paare oft nicht alleine überwinden können.

Was unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse betrifft – wollen immer die Männer mehr als die Frauen?

Es ist schon vorgekommen, dass Frauen an meinen Vorträgen dazwischenriefen: «Bei uns ist das genau umgekehrt!» Bei etwa 30 Prozent meiner Paare ist es die Frau, die häufiger will.

Wie laufen Ihre Beratungen ab?

Keine ist wie die andere. Insgesamt geht es meist um die Frage: Wie kann das Paar Intimität und Sexualität so gestalten, dass es beiden wohl ist? Zum Teil gebe ich Spielaufgaben mit nach Hause. Zum Beispiel: Eine Stunde lang im Bett alles machen, was gut tut, den Akt aber bewusst weglassen.

Kommen nur Paare zu Ihnen, die schon lange liiert sind?

Von Zeit zu Zeit kommen auch Singles. Einer hat Mühe beim Anbändeln, ein anderer will richtig aufgeklärt werden. Bei Paaren beobachte ich einen erfreulichen Trend: Sie bemühen sich immer rascher um Beratung und warten nicht, bis sich ein Konflikt über Jahre einbrennt.

46 Karten mit Gesprächsthemen gibts in Ihrer «SexKiste der Liebe». Verdirbt so viel Gequassel nicht die Stimmung?

Viele Paare wären froh, wenn sie überhaupt quasseln könnten. Manchmal fehlt der Mut, manchmal fehlen die Worte. Und manchmal fürchten wir, den Partner zu verletzen. Sexualität betrifft unsere Identität, entsprechend sind wir sensibel und fürchten Kritik. Selbstbewusstsein ist aber wichtig, und sich am Sex anderer zu orientieren, hat viele Nachteile. Die SexKiste fragt darum nicht: Wie wichtig ist den Frauen der Orgasmus? Sie fragt: Wie wichtig ist er dir? Die Devise lautet: Zurück zu dem, was ich bin. Und weg von dem, was ich denke, sein zu müssen.

Deuten Sie an, dass der Orgasmus für viele Frauen Nebensache ist?

Manche Frauen richten ihren Fokus auf den Orgasmus. Andere sagen sich: Ein paar intensive Sekunden sind schön, aber lieber stelle ich Wonne und Genuss während des gesamten Zusammenseins in den Mittelpunkt.

Kann Schweigen sinnvoll sein? Bei einem Seitensprung? Oder wenn die Antwort auf die Frage «Was macht mich heiss?» in der SexKiste lautet: Wenn ich beim Sex an andere denke?

Das Geständnis eines Seitensprungs kann eine Beziehung gefährden. Oder wachrütteln. Allgemein gültige Ratschläge habe ich hier keine. Auch nicht zum Umgang mit sexuellen Fantasien, ein heikles Thema. Viele mögen das Prinzip «Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss». Jedes Paar muss eine gute Balance finden zwischen «Das geht nur mich was an» und «Du kannst alles von mir wissen».

Sind Sie bei Gesprächen über die Lust schon auf Ungewöhnliches gestossen?

Unsere Lust ist manchmal mit ungewöhnlichen Dingen verknüpft. Ich weiss beispielsweise von jemandem, der nur und ausschliesslich beim Tango tanzen erregt wird.

Erotik ist allgegenwärtig. Wie kann Sex da noch ein Tabuthema sein?
Nur weil die Medien voll mit Erotik sind, wird nicht automatisch über eigene Bedürfnisse gesprochen. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, je offener im Fernsehen über Sex gesprochen wird, desto verhaltener sind Paargespräche.

Wie werden Sie die Kiste in Bülach präsentieren?

Eine Lesung der etwa 500 Fragen wäre einseitig. Deshalb haben wir eine Moderatorin eingeladen, Journalistin und Therapeutin Maria Eisele. Sie wird mich und meinen Lebenspartner zur Kiste befragen – auch über persönliche Erfahrungen mit Offenheit und Kommunikation innerhalb der Sexualität. Alles in allem ist es ein lustvoller Abend, bei dem über die schönste Nebensache der Welt gesprochen wird.

«Gesprächige» Kiste

Auf Wunsch des Hirschi+Troxler-Verlags entwarfen Kristina Pfister und ihr Partner Claude Jaermann die «SexKiste der Liebe», die Nachfolgerin der «BeziehungsKiste» und «Schatzkiste der Liebe». Sie beinhaltet Fragen wie: «Wie frei und offen zeige ich dir, dass ich erregt bin?» Die Kiste wird am Donnerstag, 29. Januar, um 19 Uhr in der Bülacher Altstadt-Buchhandlung unter dem Motto «Lets talk about Sex» vorgestellt.