500 Fragen, um das Liebesleben anzukurbeln

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Tages-Anzeiger

8. Januar 2009

Viele Paare reden zu wenig miteinander, vor allem über Intimes. Dem will die „SexKiste der Liebe“ abhelfen. Verfasst haben sie zwei Bülacher Autoren.1

Von Ben Kron

„Wir haben gelernt, wie man Kreisinhalte berechnet und Wurzeln zieht, aber nicht, wie man miteinander kommuniziert. Und vor allem, wie man über Intimität redet.“ In dieser einfachen Erkenntnis sieht der Journalist, Autor und Seminarleiter Claude Jaermann den Kern unserer mannigfaltigen Probleme mit der Sexualität. Und genau hier setzt die „Sexkiste der Liebe“ an, die Jaermann und seine Lebenspartnerin, die Sexualberaterin Kristina Pfister, verfasst haben.

Darin werden aber weder Ratschläge erteilt noch ausgefallene Stellungen vorgeschlagen. Die Kiste besteht aus 46 aufwändig gestalteten und nach Themen geordneten Karten, auf denen sich 500 Fragen rund um die Sexualität finden. „Wir haben versucht, die vielen Facetten der Sexualität abzudecken“, erklären die beiden Autoren. So werden wohl Fragen gestellt zu Vorspiel, Vereinigung und dem Danach. Aber die Sexkiste widmet sich auch den Themen Intimität, Zärtlichkeit und Erotik generell, fragt nach der sexuellen Identität der Partner, nach „Solosex“ und Schamgrenzen. So wird zum Beispiel gefragt: „Was brauche ich von dir, um mich begehrenswert und sinnlich-attraktiv zu fühlen? Und was brauche ich von mir?“, „Was alles zählen wir in unserer Beziehung zur Intimität?“, oder „Wie gross ist mein Interesse, mir selbst Lust zu bereiten?“

Die Idee hinter den Fragen – manche sind einfach, manche anspruchsvoll – ist: Paare sollen anhand dieser Fragen das Gespräch miteinander suchen und lernen, über die eigene Intimität zu sprechen. Für die Bülacher Sexualberaterin Pfister (53) ist klar, dass der Kern vieler Differenzen in Beziehung und Sexualität darin liegt, dass die Partner zu wenig miteinander kommunizieren.

Vor allem beim Gespräch über die Paarsexualität muss das Paar einige Hürden nehmen. „Niemand will eine Schwäche zeigen“, erklärt Jaermann (50). „Nirgends sind wir so verletzlich wie in unserer Intimität. Einem Gespräch über sexuelle Wünsche und Probleme steht deshalb die Angst vor Verletzung oder gar Ablehnung im Weg.“

Die „Sexkiste“ mit ihren Fragen will hierbei auf simplem Weg helfen: „Wir empfehlen den Paaren, sich zuerst mal eine der Karten vorzunehmen“, sagt Kristina Pfister. „Entweder sucht man sich das Thema aus oder zieht einfach eine aus dem Stapel.“ Danach gehe es darum, dass jeweils beide Partner die gestellten Fragen beantworten. Ebenso von Bedeutung wie das Gespräch selbst sei es, für sein Intimleben eine Sprache zu finden, ergänzt Jaermann. „Die Wortwahl ist wichtig. Wie könnten wir unsere Geschlechtsorgane benennen? Oder warum nennen wir unser Schlafzimmer nicht einfach ‚Liebesinsel’? Schon indem wir den Dingen andere Namen geben, können wir etwas ändern.“

„Wichtig hierbei: Es gibt keine Warum-Fragen, weil diese eine trennende Wirkung haben. Und keine, die mit Ja oder Nein zu beantworten sind“, erklärt Pfister. Die Kiste soll vielmehr als Einstiegshilfe dienen, um das Gespräch miteinander in Gang zu bringen. „Es soll also keine Problemlösungskiste sein, sondern eine, welche zu Erkenntnissen verhelfen soll. Eine Potentialerweiterungskiste.“ Deren Zielpublikum sind alle, die eine Beziehung führen. „Wir wollen alle Paare ansprechen, egal welchen Alters und welcher Kultur.“

Die Hauptklientel von Kristina Pfister, die in Bülach und Winterthur eine Praxis betreibt, sind Paare, die um die 40 Jahre alt sind. „Vielleicht, weil wir in diesem Alter die Herausforderungen der Intimbeziehung etwas bewusster leben und deshalb eher bereit sind, eine Sexualberatung aufzusuchen. Paarsexualität ist nicht nur wunderbar einfach, sondern auch herrlich kompliziert. Es ist ein Entwicklungs- und Reifeprozess, der nie aufhört. Es ist gut, den Sex immer wieder zu hinterfragen. Besonders, was einen genau erfreut und erfüllt, um sich von der „Massenware Sexualität“ selbstbewusst abzugrenzen.

Die Anregung zur „Sexkiste der Liebe“ kam vom Verlag, der vor einigen Jahren die sehr erfolgreiche „Beziehungskiste“ auf den Markt gebracht hat, die ihrerseits mit einer Reihe von Fragekarten arbeitet.

Die ersten Rückmeldungen der Ende Oktober erschienen „Sexkiste“ seien äusserst positiv gewesen, freuen sich Pfister und Jaermann. „Auch von Fachleuten wie Psychologen oder Ärzten, für die unsere Fragensammlung auch gedacht ist.“ Insgesamt soll die „Sexkiste der Liebe“ also keine sexuellen oder andere Beziehungsprobleme lösen, sondern den Paaren schlicht einen Einstieg bieten, wieder mehr und offen miteinander zu reden. Es gehe wohl um die Sexualität, wie der Titel sagt, doch der wichtigste Aspekt sei die Liebe. „Sexualität ohne Liebe wird innerhalb der Paarbeziehung irgendwann schal“, findet Claude Jaermann. „Umgekehrt aber: Wenn Sexualität zu Spannungen führt, ist die Liebe da, die einen durch solche schwierigen Phasen trägt.“

  1. Anmerkung: Der Tages-Anzeiger hat hier fälschlicherweise von „zwei Bülacher Autoren“ geschrieben. Richtig ist: Kristina Pfister ist aus Bülach, Claude Jaermann aus Winterthur. ↩︎