Unabhängigkeit in der Sexualität

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Bericht eines Mannes (50 Jahre alt)

Seit über 10 Jahren arbeite ich an meiner Unabhängigkeit in der Sexualität. Begleiter dabei waren für mich Texte von David Deida, Krishnananda Trobe, Safi Nidiaye, Matthias Riek, David Schnarch, Michael u. Diana Richardson. Sowie Seminare und Therapie bei Kristina Pfister.

Folgende wichtige Schritte kann ich rückblickend erkennen:

Unterscheiden von Lust auf Sex und Lust am Sex

Meine Frau hat fast nie ‚Lust auf‘ Sex, jedoch fast immer ‚Lust am‘ Sex. Früher hatte ich noch die Erwartung, dass sie auch ‚Lust auf‘ haben sollte und konnte mir nicht vorstellen dass man, wenn es doch schön gewesen war, es nicht wieder haben wolle. Heute denke ich, es ist nicht nötig, dass beide ‚Lust auf‘ haben, einer genügt! In anderen Angelegenheiten, z. B. ins Kino gehen, ist ja in der Regel auch nur meine Frau initiativ.

Unterschiedliches Verlangen sinnvoll nützen

Früher sah ich das unterschiedliche Verlangen nur als Hindernis. Auch war es für mich deprimierend, immer wieder zu erleben, dass der Partner mit dem niedrigeren Verlangen entscheidenden Einfluss darauf hat, was geschieht. Heute sehe ich, dass das auch in anderen Lebensgebieten so ist. Und es für die Persönlichkeitsentwicklung sogar gut ist, dass das so ist. Wichtig ist auch, dass man dabei nicht die bewusste oder unbewusste Schlussfolgerung ’sie begehrt mich nicht, also bin ich nicht begehrenswert‘ daraus zieht. Das hätte negative Folgen fürs Selbstwertgefühl.

Eine Sehnsucht oder ein Bedürfnis muss nicht erfüllt werden

Früher glaubte ich, dass ein unerfülltes Bedürfnis oder eine unerfüllte Sehnsucht gleichbedeutend mit Unglücklichsein ist. Heute kann ich eine Sehnsucht als solche geniessen, z. B. das Kribbeln im Körper. Sogar ein unerfülltes Bedürfnis kann für die Persönlichkeitsentwicklung hilfreich sein: es hilft, sich nicht mit dem Bedürfnis zu identifizieren … der das Bedürfnis beobachtende Teil ist ein wesentlicher und interessanter Teil von mir!

In der Sexualität unabhängig von einer Frau werden

Früher meinte ich, ich bräuchte eine Frau, um meine Sexualität geniessen zu können. Auch war meine Aufmerksamkeit, wenn ich Lust hatte, schon im nächsten Moment, bei einer Frau, nicht im JETZT, in der Wahrnehmung, was da in meinem Körper lebt. Heute kann ich mich meist schon am Kribbeln das (m)eine Frau in meinem Körper auslöst, erfreuen. Das, was sich da in meinem Körper ausbreitet, als mirgehörend wahrnehmen und mich da hineinentspannen und daran erfreuen.

Erregung ist nicht notwendig für guten Sex

Damit habe ich nicht viel Erfahrung. Klar jedoch ist mir, dass es beim Sex, wie bei anderen Unternehmungen wie z. B. beim Lesen oder Wandern, auf das Gefühl, das die Unternehmung auslöst, ankommt und nicht auf die Unternehmung als solche.