Ich möchte den Bericht dieses Mannes bewusst aufs Netz stellen als Ausgleich zu den unzähligen Artikeln, wo die passive Lust (häufig Unlust genannt) der Frau als Schwierigkeit beschrieben wird. Dass Frauen mit passiver sexueller Lust sogar gesucht und begehrt sind, ist doch wirklich eine positive Meldung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Dieser Mann nennt diese Frauen: Dornröschen-Frauen.
Die „Dornröschen-Frauen“
Bericht eines Mannes (45 Jahre alt)
Als Mann liebe ich die Dornröschen-Frauen. Ihre Lust schläft einen süssen Schlaf und es ist jedes Mal faszinierend für mich, das Dornröschen zu wecken. Ich schätze auch die hitzigen Frauen, aber die kühlen entsprechen mir mehr. Da kann ich mich voll entfalten. Da wird so eine Gelassenheit und ein in sich selbst tief verwurzelter Mann in mir wach. Mild und eben doch stark. So etwas von einem Magier. Meine Seele lächelt zufrieden. Ich lasse mich ins Ungewisse, ins Unsichere ein. Ich folge meinen Fingern, meinem Mund. Ich lass alles Erreichen, alles Angepeilte, alles Wollen, alles Erzielen los. Denn sobald ich auf diese gerichtete Energie einsteigen würde, verfehle ich mein „Ziel“. Ja, es ist paradox. Ich will und lasse doch alles Wollen los. So bin ich ein Findender, nicht ein Suchender. So lege ich mein Bewusstsein in meine Hände und meinen Mund und lasse mich ein auf die Frau. Schwinge mich ein in die schlafende sexuelle Energie. Liebkose ihre Brüste, horche mit meiner Hand in den Venushügel hinein. Werde Eins mit diesem Nichts, mit der Absenz ihres Begehrens, folge dieser Leere, geniesse diese Stille. Die manchmal bleibt und mich ebenso zu Stille einlädt. Manchmal wird aus dem „Nichts“ ein zarter Wind, der zu einer sanften sinnlich-erotischen Brise anhebt und wieder verebbt. Manchmal – zum Beispiel, wenn mein einer Finger an ihrer Klitoris ruht und der andere Finger an ihrem G-Punkt, – erwacht ein feines Strömen im Körper und ich ahne, dass meine Liebste zu fernen unendlichen Weiten/Welten abhebt. Manchmal beginnt ihre Erregung durch das Spiel meiner Hände an Brust, Klitoris und Vaginaeingang grad zu sprudeln und tanzt einen ausgelassenen Tanz. Manchmal bleibt es ihr alleiniger Tanz und manchmal werden die Rufe aus der Mitte ihres Schosses stark und deutlich, was meinen Penis erblühen lässt. Welch schönes Gefühl, von ihrer weichen, offenen Vagina vollkommen willkommengeheissen zu werden. Auch beim Akt lasse ich mich wiederum auf das Ungewisse ein und mache nichts mehr oder weniger, als der Energie zu folgen. Und zu spüren, wie sehr mir das entspricht und wie sehr ich darin Mann bin. Zur Stelle sein, dem weiblichen zu dienen. Und mich im dann aufgehenden Raum auszubreiten. Diese Form des Liebemachens ist langsam gewachsen. Früher ging es viel mehr nach dem Kopf. Bis ich gemerkt habe, dass mich das nicht befriedigt. Ich habe auch aufgehört mit den „Gut-dasteh-Spielchen“. Sex ist weder sicher noch stabil, auch wenn alle Welt so tut. Ich kenne gut das Gefühl, bei einer neuen Frau auf Nummer Sicher zu gehen, und Viagra zu nehmen. Welch ein Beschiss. Mit meiner jetzigen Geliebten habe ich gelernt, nicht zu werten. Alles ist gut. Lust, keine Lust, halbe Lust, aufhörende Lust. Es gibt kein Ding, das ich durchziehe. Dann hast du einen Orgasmus, aber das Gefühl danach schmeckt wie ein Gipfeli von gestern. Mit meiner Liebsten liege ich viel im Bett. Keine Begegnung ist wie die andere. Auch ihr Körper reagiert von mal zu mal völlig verschieden. Ich glaube, dass da die grosse Stärke männlicher Intuition liegt und wir Männer sind uns das zu wenig bewusst: sich ganz und gar – aber eben nicht selbstlos, den Kontakt zu sich verlierend, sondern selbstvoll – auf die Frau einzulassen und intuitiv zu spüren, welche Berührung jetzt angesagt ist. Gerade weil ihr Körper jedes Mal anders blüht. Und weil ich jede Sekunde 100% geniesse, kann sein, was will. Ob ich sie erwecken kann, oder nicht. Ob etwas „läuft“ oder nicht. Völlig schnurzegal. Da ist eine unglaubliche Zufriedenheit und Gelassenheit.
Eines Tages erhielt ich von einem 58jährigen Mann eine Zuschrift zu diesem Bericht. Er gab mir die Erlaubnis, seine Worte hier zu veröffentlichen.
Sehr geehrte Frau Pfister,
Noch nie bin ich beim „Schnöiggen“ im Internet spontan einem Aufruf gefolgt, zurückzuschreiben – aus Furcht, dass das zu noch mehr Engagements, noch mehr „Sich-Verzetteln“ führt. Hier aber mache ich eine grosse Ausnahme.
Ich bin 10 Jahre älter geworden als Ihr Autor, bis ich auf solche oder zumindest ähnlich Gedanken wie er gekommen bin. Aber die Wurzeln zu solch einer Philosophie sind, dem berühmten roten Faden gleich, bis in die Anfänge meiner Beziehungen, meines Lebens zurückzuverfolgen. Schon immer fühlte ich mich von dem, was die männliche und erstaunlicherweise auch die weibliche Mehrheit für „normales“ „Mann-Sein“ hielt und hält, befremdet bis angewidert, abgestossen und vor den Kopf gestossen. Als wäre ich von einem anderen Planeten, bedeutet für mich Sexualität das Gegenteil von Orgasmusjagd: möglichst oft, möglichst schnell, mit möglichst vielen, am liebsten auf Lustobjekte reduzierte „Mitmacherinnen“. Das Gegenteil von Fokussierung auf das Körperliche, Organische. Das Gegenteil von Quantität (wer hat den Grössten, Längsten, am meisten Flüssigkeit Gebenden zwischen den Beinen?!).
Genau so wenig bin ich aber bei den in grässlichsten Widersprüchen verstrickten, religiösen Keuschheits- und Moral-Eifereren zuhause, welche die von Gott geschaffene Sexualität verteufeln und das, was sie predigen (Zölibat für Priester, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Tabuisierung), im eigenen Leben am wenigsten einhalten.
Weder der kraftvolle, beschützende, jagende, vor nichts Angst habende, keine Schwächen habende oder zeigende Mann, noch der entsagende, pseudo-keusche, einer falschen Gottes- Vorstellung kritiklos folgende „Wolf im Schafspelz“ konnten mir Identität und inneren Halt geben, mir eine Richtschnur sein. Aber auch die Suche nach Partnerinnen, welche in ähnlichen Kategorien wie ich dachten und handelten, war (erstaunlicher- und gleichwohl logischerweise) lange Zeit wenig erfolgreich. Ein Mann mit Tränen? Ein Mann mit Gefühlen? Ein Mann mit Eigenschaften, welche mehr als weiblich denn als männlich gelten? Ein Mann, der zu all dieser Andersartigkeit noch ja sagt, sie selbst vollumfänglich als zu ihm gehörend akzeptiert, auslebt? Das irritierte und irritiert gewaltig! Da kann man sich ja nicht an seine Schultern anlehnen!!! Da wird ja laufend das, was bisher als unumstössliche Tatsache galt, in Frage gestellt oder gar umgestossen: Was ist wirklich männlich? Was wirklich weiblich? Da gibt es keine Sicherheit mehr darüber, was man(n) darf und was man(n) nicht darf, weder in der Kleidung noch im Benehmen und schon gar nicht im Seelenleben!
Ich bin mir fast sicher, dass Ihr Autor eine ähnliche Entwicklung wie ich durchlebt hat. Nicht wenige seiner Partnerinnen dürften ihn, zuerst fasziniert durch die Möglichkeit, endlich einmal nicht ein blosses Lustobjekt darstellen zu müssen, gemocht und sogar geliebt haben. Aber dann stellen sich Zweifel ein, empfinden ihn die Frauen als zu zart, zu „unmännlich“, zu kompliziert, zu ungewohnt, stossen sich an seiner „eigenen Art“, müssen die Beziehung zutiefst verunsichert und frustriert abbrechen, obwohl sie ihn weiterhin als liebsten Menschen sehen, dem sie je begegnet sind.
Für mich jedenfalls war, ist und bleibt es schwer, einen solchen, eigenständigen und aus meiner Sicht wahrhaftig männlichen Weg zu gehen. Ein Weg, der dem Paar Frau und Mann ermöglichen könnte, dereinst, nach vielen Schwierigkeiten und Hindernissen, wahrhaft eins zu werden, miteinander auf einer höheren Ebene zu verschmelzen, ohne die eigenen Freiräume aufgeben zu müssen. Das geht aber nicht husch, husch in 5 Minuten wie die „übliche“ Kopulation: Zuerst toll miteinander Sex haben, dann (vielleicht) nachdenken, danach ein bisschen heiraten oder zusammenziehen, um möglichst bald wieder eigene Wege zu gehen. Preis wie Aufwand sind bei der Alternative zwar hoch, aber der Ertrag aber noch viel höher – es lohnt sich also!
Es ist ein Weg, der dem anderen Geschlecht einmalige Chancen geben würde, sich selbst zu verwirklichen. Ein Weg, der ihr ermöglichte, ganz Frau zu werden, ganz Frau zu sein; in eine Form der Sexualität einzutauchen, welche auf ihre Bedürfnisse, auf ihr Wesen, auf ihre eigene Art, Sex, Erotik und Sinnlichkeit zu einem homogenen Ganzen zu machen, perfekt eingeht. Und dann ist Sexualität für eine Frau ein tiefer eindringendes, in mehr Erregung und Ekstase ausartendes Erlebnis als beim Mann -aber eben nur dann!)!
Deshalb schreibe ich diese Zeilen: Weil ihrem Autor dieser Brückenschlag zwischen den Geschlechtern gelungen ist! Er ist in meinen Augen ein wirklicher Mann!
Ich habe versucht, das, was er sagt, in meinen Worten auszudrücken, ohne aber seine Perfektion zu erreichen. Er kriegt das mit seinem Text besser, zumindest viel poetischer hin. Es ist eine der ersten mir zu Gesicht kommenden Beschreibungen über sexuelle Erlebnisse, welche es fertig bringt, einerseits in der nötigen schonungslosen Offenheit über das Vorgehen des männlichen Sexualpartners zu berichten und andererseits die nötige Feinfühligkeit, das Wunderbare des Eins-Werdens, das Eingebettet- Sein in alle Sinne und Ebenen an den Tag legt. Einfach wundervoll!
Ich habe diesen einmalig schönen Text heute Abend zum ersten Mal gelesen. Es wird ganz sicher nicht das letzte Mal gewesen sein!